Namens- und Nachkommenschaftsprinzip

Das Schaubild erläutert das Namens- und Nachkommenschaftsprinzip. Es stammt von dem Juristen und Heraldiker Dieter Müller-Bruns (Kleeblatt/KMdH). Zur Vereinfachung wird in diesem Schaubild eine Führungsberechtigung der Ehepartner nicht berücksichtigt. Diese gelten "automatisch" als führungsberechtigt.

Die auf dieser Seite benutzte männliche Form von Begriffen wie „Wappenstifter" etc. (generisches Maskulinum) gilt gleichwertig für männliche und weibliche Personen.

Literatur

Arndt, Jürgen: Wechselwirkungen zwischen dem staatlichen Recht am Familiennamen und dem Wappenrecht. In: Vierteljahreschrift Der Herold NF 8 (1977), S. 181–188. - Handbuch der Heraldik (Wappenfibel), hrsg. vom HEROLD, 19. Aufl., Neustadt an der Aisch 1998, S. 147

Müller-Bruns, Dieter: Wappenrechtliche Aspekte von Familienwappenrollen - Teil 2 - 4, KLEEBLATT - Zeitschrift für Heraldik und verwandte Wissenschaften, Ausgaben 2/2015 und 1+2/2016, www.wappenkunde-niedersachsen.de - Müller-Bruns: Überlegungen zu Grundzügen des Wappenrechts, in HEROLD-Studien Band 9: Wappen heute – Zukunft der Heraldik? Eine Historische Hilfswissenschaft zwischen Kunst und Wissenschaft, S. 33 ff., 2014. - Müller-Bruns: Wappenrecht - Schutz des Wappens, KLEEBLATT, Ausgabe 4/2005, S. 13 ff.; als umfangreiche Ergänzung von: Über die Grundzüge des sogenannten Wappenrechts, Kleeblatt, Ausgabe 1/2011, S. 59 ff.

Peter, Bernhard: Rund um die Wappenführung: Weitergabe von Wappen in der Familie, www.welt-der-wappen.de

Richau, Martin: Die Beschränkung der Führungsbefugnis eines Familienwappens auf den Mannesstamm im Lichte der Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau nach Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz, in HEROLD-Jahrbuch 19. Band, S. 219 ff.

 

Beim Namens- und Nachkommenschaftsprinzip sind alle männlichen und weiblichen natürlichen und rechtlichen Nachkommen der wappenstiftenden Person (ab Geburt) berechtigt, dasselbe Familienwappen zu führen, soweit und solange sie noch den direkt weitergegebenen Familiennamen der wappenstiftenden Person, auch als Teil eines Doppelamens, tragen.

Voraussetzungen


Erläuterungen

Der Heraldische Verein "ZUM KLEEBLATT" (Hannover), Trägerverein der Niedersächsischen Wappenrolle (NWR) mit Wappeneintragungen aus ganz Deutschland, befürwortet bei der Frage der Führungsberechtigung das reine Namens- und Nachkommenschaftsprinzips. Dieses beinhaltet nach dem Verständnis des Vereins den sog. "Namensstamm". Daher sieht das NWR-Statut bei Neuregistrierungen allein das Namens- und Nachkommenschaftsprinzip vor.

Auch die Vereine "HEROLD" (Berlin) und "DER WAPPEN-LÖWE" (München) bekennen sich zu der primären Registrierung von Familienwappen mit einer Erklärung zur Führungsberechtigung, die das Namens- und Nachkommenschaftsprinzip vorsieht. Weil eine Führungsberechtigung und Weitergabe mit Namens- und Nachkommenschaftsprinzip heute mehr der Sichtweise und Rechtsauffassung entspricht als der jahrzehntelang krampfhaft propagierte Mannesstamm, und weil die Weitergabe in einem so definierten Namensstamm bei genauerer Prüfung durchaus auch der historisch geübten Praxis nicht widerspricht (vgl. Dr. Bernhard Peter, Kleeblatt /KMdH), hat er sich als Festlegung bei heraldischen Vereinen in ihrer Eintragungspraxis durchgesetzt.

Ein Familienwappen ist das generationsübergreifende, persönliche Kennzeichen einer durch ihren Namen und ihre Nachkommensgemeinschaft bestimmbaren Familie. Hieraus ergeben sich allein die notwendigen Voraussetzungen für eine Führungsberechtigung (so der Jurist und Heraldiker Dieter Müller-Bruns, Kleeblatt/KMdH). Die in einem Familienwappen zum Ausdruck kommende Familienidentität wird ausreichend nachprüfbar in männlicher und weiblicher Linie direkt weitergegeben, soweit und solange noch der direkt weitergegebene Familienname der wappenstiftenden Person (= Wappenname) aktiv geführt wird. Herr Müller-Bruns führt in seinen Beiträgen aus, dass für die Einhaltung von Sinn und Zweck der gewohnheitsrechtlich geprägten wappenrechtlichen Grundsätze allein, aber konsequent, das reine Namens- und Nachkommenschaftsprinzip einzuhalten ist. Hierdurch ist der Kreis der führungsberechtigten Familie ausreichend bestimmbar. Das Recht an einem Familienwappen selber, also die Berechtigung zur Führung und Weitergabe, beruht auf dem Gewohnheitsrecht. Als solches lebt es durch die Handhabung der Betroffenen und Verantwortlichen. Es entzieht sich dabei aber weder einem grundlegenden Wertewandel in der Gesellschaft noch dürfen die auf dem Gewohnheitsrecht beruhenden Grundsätze bei ihrer Anwendung gegen kodifiziertes Recht verstoßen. Die wappenrechtlichen Grundsätze (und damit der rechtliche Gebrauch eines Familienwappens) bewegen sich nicht sakrosankt außerhalb des durch die Verfassung und die geltenden Gesetze festgelegten Bereichs. Hierüber ist bei den Wappenberatungen der heraldischen Vereine immer wieder intensiv aufzuklären.

Dies hat bestimmte Folgen: Kein sog. "Mannesstamm"

Von einer Einschränkung der Führungsberechtigung auf den früheren sog. "Mannesstamm" wird heute unbedingt abgeraten und sogar gewarnt. Der Jurist Müller-Bruns führt u.a. in den HEROLD-Studien zum Mannesstamm sehr kritisch aus, dass nach dieser überholten Auffassung eine Wappenführung grundsätzlich allein dem Wappenstifter und seinen, den Familiennamen fortsetzenden ehelichen Nachkommen im Mannesstamm zugebilligt werde. Allein die agnatische Wappenweitergabe unter Fortführung des Namens sei zu akzeptieren. Nach Müller-Bruns dürfte für eine derartige Vorstellung eine - längst nicht mehr bestehende - Rechtslage mitursächlich sein, nach der Kinder grundsätzlich nur den Familiennamen des Ehemannes erhalten konnten. Wappenberatungen ergaben, dass dies bei Wappenstiftungen der letzten Jahre häufig kaum bewusst war. Derartige Texte mit Einschränkungen auf das männliche Geschlecht wurden - auch durch Wappenrollen - leider noch bis Ende des 20. Jahrhunderts einseitig vorgegeben. Die heutige Rechtslage gewährleistet, dass unter Beachtung von Sinn und Zweck der alten wappenrechtlichen Grundsätze ein Wappen zusammen mit dem Familiennamen auch in weiblicher Linie weitergegebenen werden kann. Solche Wappeneintragungen sind als rechtskonform anzusehen.

Es ist zu beachten: Wer unter Beibehaltung des Familiennamens nur den Söhnen die Weitergabe des Familienwappens zugebilligt, reduziert in unserer Gesellschaft den Begriff "Familie" wappenrechtlich eigenwillig auf die männlichen Familienmitglieder. Konkret: Wenn jemand einen Sohn und eine Tochter hat und beide behalten ihren Geburtsnamen und geben ihn auch an ihre Kinder als Familiennamen weiter, so würden hiernach allein die Kinder des Sohnes, nicht aber die Kinder der Tochter das Familienwappen führen dürfen, obwohl alle denselben Familiennamen tragen und direkte Nachkommen der wappenstiftenden Person sind.

Auch der Heraldiker Dr. Bernhard Peter (Kleeblatt/KMdH) erläutert kritisch, dass nach dem überholten "Mannesstamm" die ehelichen Nachkommen beiderlei Geschlechts jeweils einer Generation zwar Anspruch auf das Familienwappen haben sollten, soweit und solange sie noch den Familiennamen trugen. Aber grundsätzlich immer allein nur die Söhne, nicht die Töchter, sollten dann das Wappen an ihre eigenen Kinder weitergeben dürfen. Den weiteren späteren Nachkommen beiderlei Geschlechts, die ihren Familiennamen (= Name des Wappenstifters) direkt über die Mutter erhalten haben, wurde das Wappen als Kennzeichen der Familie ausdrücklich verwehrt.

Eine ausgrenzende Festlegung allein auf den sog. "Mannesstamm" wird heute von fachkundigen Juristen und rechtskundigen Heraldikern sehr kritisch gesehen und abgelehnt (vgl. Müller-Bruns/Peter/Richau). In den heraldischen Fachvereinen wird immer mahnender darauf hingewiesen, dass es auch im bürgerlichen Wappenwesen eine zu beachtende rechtliche Seite gibt.

Es wird heute kaum noch ernsthaft und mit Verantwortung vor der Rechtsmaterie vertreten, dass eine einseitig auf ein Geschlecht ausgerichtete Handhabung der Berechtigung zur Führung und Weitergabe eines Familienwappens (= Recht am Familienwappen) weder den verfassungsrechtlichen Grundsatz der Gleichbehandlung (mittelbare Drittwirkung von Grundrechten) noch die staatliche Gesetzgebung tangiere. In der Literatur wird heute vielmehr unter Verweis auf die mittelbare Drittwirkung von Grundrechten sowie auf § 134 BGB (Gesetzliches Verbot) und § 138 BGB (Sittenwidriges Rechtsgeschäft) bereits die Rechtsauffassung vertreten, dass Festlegungen allein im Mannesstamm als rechtlich nichtig einzustufen seien. Der Jurist und Heraldiker Dr. Martin Richau (MdH) weist in seiner Untersuchung im HEROLD-Jahrbuch mahnend darauf hin, dass die Folgen einer solchen Nichtigkeit sehr unerfreulich sind, denn sowohl die Nichtigkeit nach § 134 BGB als auch die nach § 138 BGB erstreckt sich auf das Rechtsgeschäft als Ganzes. Die Mahnung ist sehr berechtigt: Greift eine derartige rechtliche Einstufung, so ist die gesamte Erklärung zur Führungsbefugnis nichtig und rechtlich nicht existent. Es wird daher für eine allgemeine Umdeutung solcher, höchstmöglich als nichtig einzustufenden Erklärungen in geschlechtsneutrale und damit rechtskonforme Festlegungen plädiert (so folgerichtig Richau). - Hier käme dann das in den bereits genannten Vereinen anerkannte Namens- und Nachkommenschaftsprinzip zum Tragen.


Zusammenfassende Stellungnahme

Das Recht an einem Familienwappen ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des Privatrechts, das auf Gewohnheitsrecht beruht. Es ist ein neben dem (rechtsähnlichen) Namensrecht stehendes (nicht im Namensrecht enthaltenes) Gewohnheitsrecht zur Kennzeichnung der eigenen Familie (Müller-Bruns, Kleeblatt/KMdH).